Dienstag, 22. Februar 2011

Verdrängungskünstler oder schlechtes Gewissen?

Wir alle kennen den Ausdruck „ Verdrängungskünstler“. Doch ist man tatsächlich ein Künstler, wenn man Dinge verdrängt? Die Meinungen gehen hier sicherlich weit auseinander. Einige werden denken, dass es diese Menschen leichter haben im Leben.
Die nachfolgende Geschichte sagt mir etwas Anderes.

Franz-Josef erzählte mir, dass er lange Zeit mit einer Frau verheiratet war, sie jedoch nie wirklich geliebt habe. Er hatte sie geheiratet, weil man in einem Alter war, indem man eben heiratet und eine Familie gründet. Sie lesen richtig, genauso hat er es mir erzählt. Nach einigen Ehejahren war es nur noch ein Zusammenleben zwischen Bruder und Schwester. Streit und ständige Auseinandersetzungen zogen in ihr Haus ein und beide wurden darüber auch krank. Und doch hielten sie an der Ehe fest, weil sie es so von ihren Eltern gelernt hatten. Was war schon Liebe? Man trennte sich nicht einfach und lief auseinander. Haus und Besitz waren wichtig und die Meinung der „ ANDEREN“ tat ihr übriges dazu. Jeder von ihnen ging mit der Zeit eigene Wege und nur am Abendbrottisch herrschte kurze Übereinstimmung bei der Auswahl der Wurstsorte und dem neusten Klatsch aus der Nachbarschaft.

Bis ihm eines Tages die große Liebe begegnete.

Endlich war sie da, die Frau die er so sehr herbeigesehnt hatte. Nach einem halben Jahr, kam was kommen musste. Seine Ehefrau wurde auf seine „ neue Liebe“ aufmerksam. Von diesem Tag an, überkam ihn große Angst. Er verdrängte seine große Liebe- nein, er ging sogar noch weiter. Er verleugnete sie –verkaufte sie für den eigenen Vorteil- verletzte sie zutiefst, steckte sie in eine Schublade und warf den Schlüssel fort. Er sprach nicht die Wahrheit und belog alle - vor allen Dingen -sich selbst. Es ging ihm plötzlich nur noch darum zu behalten, was ihn jahrelang unglücklich und sogar krank gemacht hatte. Er verdrängte, was seiner Meinung nach nicht sein durfte! Er suchte Ablenkung in sportlichen Aktivitäten und die Pflege seines Gartens. Die Liebe in seinem Herzen deckte er zu und lebte sein Leben so weiter, wie bisher.

Verdrängen- sich ablenken- dass hatte er doch jahrelang praktiziert und darin war er gut. Das konnte er.
So blieb er in seinem Familienverbund, bei seiner Ehefrau die er nicht liebte und den oberflächlichen Nachbarn die er nicht mochte.

Seine große Liebe sah er nie mehr wieder.

Liebe kann so weh tun und unser Herrgott sieht alles, sagte er mir zum Schluss unseres Gespräches. Nun liege ich im Hospiz und was ich jahrelang verdrängt habe, hat mich eingeholt. Jeden Tag denke ich an sie und mein Gewissen läst mich nicht zur Ruhe kommen. Wie schlecht habe ich sie doch nur behandelt, was habe ich nur getan.

Man könnte nun mutmaßen, was alles nicht mit ihm stimmt und ob er überhaupt liebesfähig ist. Doch darum geht es nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass es uns nicht zusteht, über seine Beweggründe die zu seinen Entscheidungen geführt haben, zu spekulieren oder gar zu urteilen. Letztendlich sind es ja auch seine Konsequenzen die er allein trägt. Hier geht es um das Gewissen und viele von uns werden von dem Gewissen eingeholt. Irgendwann!

Bitte nehmen Sie sich Zeit und überlegen einmal, ob es in Ihrem Leben Menschen gibt, denen sie Unrecht getan haben oder/und denen Sie noch etwas sagen möchten.
Machen Sie eine Bestandsaufnahme Ihres Herzens. Machen Sie reinen Tisch und sagen Sie, was Sie zu sagen haben- solange es Ihnen möglich ist. Bitte bedenken Sie:“ GLEICH kann alles anders sein.“
Ich bedanke mich bei Franz-Josef, dass ich dieses Gespräch mit ihm führen durfte und diese Geschichte hier veröffentlichen kann. Vielleicht kommt der eine oder andere von Ihnen ja ans Nachdenken und klärt, was er zu klären hat.


Aquilogica
Lebensberatung
Renate Kaliski
02771/849804

2 Kommentare:

  1. Ich glaube, ein Leben ganz ohne "Schubladen" ist sehr schwer zu leben. Die "großen" Dinge allerdings haben in den Schubladen nichts zu suchen. Mir fällt dazu noch ein: Der Herr gebe mir die Kraft, Dinge zu verändern - die ich verändern kann. Er gebe mir die Geduld, Dinge zu ertragen - die ich nicht verändern kann. Vor Allem aber gebe er mir Klugheit, das EINE von dem ANDEREN zu entscheiden.

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  2. Meine Gedanken zur Geschichte selbst:
    Angst vor einem Neuanfang, Angst vor seinen eigenen Wünschen, Angst, sich nicht richtig entschieden zu haben, Angst, dass die Leute reden...all das lähmt und kann regelrecht krank machen.

    Meine Gedanken zum letzten Abschnitt des Blogeintrags:
    Verzeihen, auch sich selbst, ist schwer. Aber es ist immer einen Versuch wert. Danke für die Denkanstöße!

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